Westmänner

Der isländische Sommer ist kühl  und auf den Straßen ist es meist leer, kaum Gegenverkehr, mehr Schafe und Islandpferde als Menschen in der Weite verstreut. Eine karge Landschaft mit schroffem Vulkangestein, dass von weichem Islandmoos bedeckt ist. Man kann darauf so angenehm sitzen und alte Vulkane mit Gletscherkuppen in der Ferne betrachten. Aber an den Attraktionen stapeln sich die Touristen, ausgespien von Busherden und Mietautos mit bunten Bildern. Wo kommen die plötzlich alle her? Befremdlich finde ich die, die nicht selbst hier zu seien scheinen, sondern nur mit Smartphone oder Tablet alles zu archivieren versuchen und den echten Moment verpassen. Die Dame im Hot Pot am schönen See sitzt mit Handy in den verschiedenen Becken, nicht im Hier und Jetzt, stattdessen starrt sie auf den Bildschirm. Wegen der geothermischen Aufwärmung sind die Becken zahlreich und diese sind meistens komplett draußen.  Dennoch finde ich das Schwimmbad fußläufig zu unserer Unterkunft am angenehmsten, wo eine Isländerin genau drauf achtet, dass man vor dem Baden nackt duscht und sich abseift. Die älteren Damen schwimmen mit Wollmütze unter der Badekappe. Es ist Anfang August und sommerliche 10,4°C lassen mich beim Erklimmen der Rutsche zittern, doch das ist eine Badewannenrutsche, die so heißen muss, da das Wasser einen so wohlig warm wie in der Badewanne in Empfang nimmt. Die Becken sind in 4°C-Schritten bis 44°C wählbar, da kann man schon sein eigenes Süppchen kochen. Sauna und Gufubad (das Dampfbad) sind auch noch zum Durchwärmen verfügbar. 

Brúarfoss
Sören und Joceline am Strand Djúpalónssandur, im Hintergrund der Vulkan Snæfellsjökull mit Gletscher

Noch vor dem Auslaufen aus dem Hafen greifen dankbare Abnehmer nach den Tabletten gegen Reiseübelkeit, da die Wellen direkt nach dem Ablegen zu spüren sind. 2,2m sind angekündigt, also isländisches Sommerwetter. Es geht auch anders, denn es gibt überall an Bord Spender mit Spuckboxen, wie die Asia-Nudelboxen, nur etwas größer. Auf Heimaey, der einzigen dauerhaften bewohnten Insel der Westmänner-Inseln, diese Inseln mit eigenem Vulkansystem sind auch als Vestmannaeyjar bekannt, gibt es in den Sommermonaten eine riesige Population von Puffins, Papageitauchern. Etwa 10 Millionen der Vögel nisten dann hier. Und wir haben Glück: über eine Lavastraße gelangt der Hobby-Ornithologe zu steilen Klippen um den putzigen Gesellen, die wie Hummeln umherschwirren und sich über den Atlantik zum Fischen begeben, staunend zuzuschauen.

Papageitaucher auf der Westmännerinsel Heimaey


Ich packe mein Köfferchen …

Es regnet in Strömen und ich hänge mit zwischen Schulter und Ohr festgeklemmten Telefon halb aus der  Tür, um die Wäschespinne mit der Bettwäsche vor der Sintflut zu retten. Die nette Dame am Telefon ist von Etihad Airways und wir stellen schnell fest, dass ich bei ihrer Fluggesellschaft nicht richtig bin und ich telefoniere weiter mit SAS und dem Buchungsportal im Wechsel, lerne Warteschleifenmelodien von Jazz über Techno, in der Reisebranche ist wohl alle erlaubt, kennen und möchte vor unserem Abflug am Abend zum Start unserer Weltreise als Familie nur einen klitzekleinen Buchstaben ändern.  Es werden bis zu drei Fehler bei Buchungen toleriert, aber das liegt im Ermessen der jeweils kontrollierenden Person und somit soll aus Uta die Ute werden, die uns am Anfang der Reise begleiten wird. Ich überlege bereits einfach ihren Reisepass mit einem Edding stümperhaft zu fälschen. Eine Umbenennung kann doch auch per Express gehen, oder? 

Das sind die Momente wo man merkt, dass man überdurchschnittlich altert, zwischen Hyperventilation und  progressiver Muskelan- nicht Entspannung verharrt, das Rauschen in den Ohren hört. 

Mein Name sei Gantenbein, denn es hat niemanden interessiert, wer wie heißt, ob in Hamburg, Kopenhagen oder Reykjavik, immer habe ich mein Handy mit den Tickets fünfmal über den Scanner gehalten und die Tickets eingescannt, unsere kleine Reisegruppe watschelte einfach vorbei, ein Pass wurde auch nie vorgezeigt, es mussten nur fünf Personen sein. 

Doch vor der Reise steht die Vorbereitung und auch das Sachen packen. Ich packe mein Köfferchen und nehme mit: drei lange Hosen,  drei T-Shirts, Insektenspray, eine Reisehängematte (mein Gimmick), meine Zahnbürste, meinen Badeanzug, meine …. Moment, da liegt bereits der nächste Fehler in der Umsetzung, denn wir sind jetzt mit Opa Jürgen und Oma Ute auf Island, aber der Badeanzug ist in Deutschland geblieben. Schade, da wir doch hier von einer heißen Quelle zur nächsten wollten. Naja, wenigstens ist mein Badeanzug nicht einsam, er kuschelt mit Jocelines in einer Schublade. Der von Joceline ist eigentlich ganz wichtig, da er einen Seepferdchenaufnäher trägt und dass möchten junge Schwimmer sehr gerne zeigen.  Aber ohne Drama funktioniert auch das mitgenommene Unterhöschen mit Seesternen, Fischen und Seepferdchen und Utes zweiter Badeanzug ist jetzt auch froh aus der zweiten Besetzung in die Erstbesetzung aufgestiegen zu sein. 

Reykjavik von oben


Pünktlich gegen 00:30 Ortszeit landet der Flieger in Island und Sören macht sich auf den Weg, um den 4×4-Mietwagen abzuholen. Als wir anderen vier ihn mit dem vollbeladenen Koffertrolley am Mietwagenschalter vorbeikommen, ist der Schlüssel bereits an Sören überreicht, doch der Mann ruft überrascht auf: „Ist das alles ihr Gepäck? Das passt nicht in den Wagen.“ Ich erwidere, dass wir ja keinen kleinen Wagen gebucht haben, aber der Mann kommuniziert nur wortlos mit seiner vorbeigehenden Kollegin, die in einen Apfel beißend wie ein falsch ausgerichteter Wackeldackel eifrig mit dem Kopf nickt. Er hätte nur noch einen Van, den er uns vermieten könnte,  aber wir möchten gerne erstmal eine Runde Koffer-Tertris spielen. Wir könnten ja zurückkommen und umbuchen, sagt der hochengagierte Mann. Der Schalter ist ja bis 1:00 Uhr geöffnet. Es ist 00:53 Uhr. 


Wir senden im Eilschritt mit hochgehaltenem Schlüssel Signale auf dem nächtlichen Parkplatzgelände am Flughafen und hoffen auf eine blinkende Antwort. Bereits um zehn nach eins haben wir unsere Tetris-Challenge erfolgreich beendet und können uns auf den Weg zu unserer Unterkunft machen. Diese versprüht einen wunderbaren nordischen Wohlfühlcharme und nach Gute-Nacht-Geschichte mit „Herrn Maus in den Ferien“ schlafen wir gegen 3:30Uhr ein. Das ist 5:30Uhr deutscher Zeit, da Island keine Sommerzeit hat.

Geysir Strokkur