Das Quirlen des Milchmeers

Die größte Tempelanlage der Welt ist Angkor Wat als Teil von Angkor in Kambodscha. Das liegt sozusagen auf unserem Weg, weswegen wir uns in die Stadt Siem Reap begeben. Im Schnellverfahren bekommen wir, wie viele andere Reisende, am Flughafen ein Visum in den Pass geklebt, gegen Abgabe eines Fotos und ein paar Dollar-Scheinen. Dollar sind hier das gängige Zahlungsmittel und kommen auch aus den Geldautomaten. Die kambodschanische Währung ist der Riel. Ein Euro sind etwa 4450 Khmer-Riel, aber wie gesagt, hier wird alles über US-Dollar geregelt, oft ist das Wechselgeld aber eine Mischung aus Riel und Dollar.

 

 

 

 

 

 

Ab etwa dem 9. Jahrhundert haben die Khmer Angkor errichtet. Es sind Städte mit unzähligen Tempeln.  Skulpturen, Verzierungen und Reliefs finden sich im Überfluss. Auch das Quirlen des Milchmeers wird ausführlich dargestellt. Mehrere Tage verbringen wir hier in den unterschiedlichen Anlagen, fühlen uns wie Indiana Jones und staunen über die architektonischen Leistungen, die wir erlaufen und erklimmen. Das königliche Bad Srah Srang erschwimmen wir aber nicht, obwohl ein König der Khmer es für alle Kreaturen erschaffen ließ – außer Elefanten. Dabei misst das Becken stattliche 400 mal 700 Meter. Und während einst in Europa die Metropole London mit 50.000 Einwohnern gefeiert wurde, lebten in Angkor etwa eine Million Menschen.

Nach vielen kulinarischen kambodschanischen Köstlichkeiten wie einem Gericht namens Amok, saurer Suppe und selbst knusprigen Heuschrecken, Wasserkäfern, Maden und Fröschen steht uns mal der Sinn nach etwas Bekanntem und wir haben Lust auf einen Hamburger. Wir folgen dafür den online Tipps in ein nettes Restaurant. Ich entscheide mich für eine Chicken-Burger und Sören entdeckt auf der Karte die Empfehlung des Küchen-Chefs, den Bob Marley Burger. Er fragt die Kellnerin, warum dieser empfohlen wird, und sie antwortet mit einem freundlichen Lächeln und süßem asiatischem Akzent:
„It’s a happy Burger.“
„Sorry?“
„It’s a happy Burger.“
„?“

Schuu-Schuu. Mit weit aufgerissenem Käuzchen-Blick starre ich Sören an. Die Erkenntnis trommelt gegen meinen Hinterkopf. Mit einem zusätzlichen Tritt unter dem Tisch gebe ich diese weiter.

Er bestellt dann doch einen Burger mit Ei und ich frage mich, wie viele Gäste die Empfehlung des Hauses unbedarft verspeisen und nicht ahnen, warum sie sich anschließend gaaanz entspannt und happy fühlen. Ach —– das ist aber auch sowas von egal.

In schnodderiger Kurzform lässt sich das mit dem Quirlen des Milchmeers folgendermaßen beschreiben. Die hinduistischen Götter hatten ihre Unsterblichkeit verloren und wollten die natürlich gerne wieder haben, naja versteht sich irgendwie von selbst für einen Gott. Also wollten sie den Unsterblichkeitstrank Amrita herstellen. Andere versuchen sich im Brauen von Zaubertränken und schneiden Misteln, aber für Unsterblichkeit muss man oder Gott etwas mehr tun, wie z. B. ein spezielles Urmeer quirlen. Dafür benötigt man ein Meer, das Milchmeer ist geeignet, und einen Quirl, da bietet sich ein Berg im Meer an. Der Berg muss natürlich ordentlich in Bewegung kommen, deswegen wird der König der Schlangen drum gebunden und es wird kräftig an beiden Seiten gezogen. Dafür braucht es aber viel Kraft, weswegen die Dämonen helfen und an der anderen Seite der Schlange ziehen. Und dann geht das große Quirlen los, es kommen einige Schätze zum Vorschein und sie quirlen und quirlen, und 1000 göttliche Jahre später ist tatsächlich der Unsterblichkeitstrank entstanden. Na wurde auch Zeit, denn für Sterbliche ist das echt eine lange Zeit. Nachdem sich nach einigem Gezanke geeinigt wurde (ja – tick tack – die Uhr läuft weiter), dass erst die Götter die Hälfte von Amrita trinken und dann an die Dämonen überreichen, tja da geht der Plan nicht ganz auf. Uuups, das Zeug ist nämlich leer bevor der erste Dämon kosten kann. Das Geschrei ist groß, und gerade Shiva hat echt schon viele Schätze und eine Frau beim Quirlen eingesackt, da wird entschieden solange gemeinsam weiter zu quirlen, bis auch die Dämonen was abbekommen. Also heißt es wieder quirl, quirl, aber diesmal entsteht ein furchtbares Gift, doch Shiva schlingt es zur Rettung der anderen in sich hinein und sein Hals verfärbt sich ganz blau. Deswegen kiffen heute noch etliche Menschen, um zu zeigen, dass das Gift ihnen nichts anhaben kann und sie göttlich beschützt sind. Glaube kann praktisch für alles herhalten.

P.S: Heute wäre das übrigens viel einfacher und stressfrei, da würde man/Gott das Milchmeer in einen göttlichen Thermomix füllen und – Klick Klick – das Amrita-Rezept auswählen.

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